Anna Miggou verabschiedet sich vom Leistungssport. "Alles hat seine Zeit."
Der Post, den Anna Miggou nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Europameisterschaften in Gaziantep via Instagram abgesetzt hatte, klang vordergründig unverdächtig: Die Silbermedaille fühle sich gut an. Es sei die finale Belohnung für die harte Arbeit und den Schmerz in all den Jahren gewesen. Sie könne nicht glücklicher sein. Dass die 24-Jährige mit diesen Sätzen einen Schluss-Strich unter ihre aktive Laufbahn setzen würde, war für Außenstehende und Nicht-Eingeweihte zumindest interpretationsbedürftig.
Miggous Entschluss, sich vom Leistungssport, "der mir unglaublich viele Türen geöffnet hat, vor allem die der Sportfördergruppe der Polizei", zurückzuziehen, war indes schon länger gereift. "Ja, ich hatte mich schon dafür entschieden, dass die EM mein letztes Turnier sein würde. Ich wollte noch einmal für das Nationalteam an meinem Lieblingsturnier teilnehmen."
Mit einer der Ersten, der von diesem Schritt erfahren hatte, war Alexander Heimann. "Sie hat mir ihre Entscheidung nach dem Finale mitgeteilt", erklärte der Assistenz-Trainer für den Kumite-Bereich. Überrascht sei er nicht gewesen, denn er wisse aus eigener Erfahrung, wie anstrengend und fordernd der Leistungssport sei.
Nur noch die Bundesliga mit dem MTV Ludwigsburg
Fast 15 Jahre hat Miggou den diversen Bundes-Kadern angehört - und in diesen Jahren zahlreiche nationale und internationale Erfolge gefeiert. Gleichwohl habe "alles seine Zeit". Wobei sie in diesem Jahr noch die Kämpfe für das Bundesliga-Team des MTV Ludwigsburg bestreiten wird.
"Aufhören, wenn's am schönsten ist"
Hansi Speidel, der als Geschäftsführer des Karateverbandes Baden-Württemberg (KVBW) im Namen des gesamten Präsidiums Miggou für ihren Einsatz gedankt und ihr beruflich wie privat alles Gute für die Zukunft gewünscht hatte, sprach von "einem großen Verlust, auch für den Leistungssport im Ländle". Andererseits solle man aufhören, wenn's am schönsten ist. "Der Erfolg bei der EM war nochmal ein absolutes Highlight."
Speidel selbst war bei der Weltmeisterschaft in Madrid zugegen gewesen, als sich das KVBW-"Aushängeschild" schwer verletzt hatte. Damals habe er gedacht: "Das war's mit der Weltspitze." Umso mehr freue er sich jetzt, dass er sich damals geirrt habe. Auch Köksal Cakir, Miggous Trainer beim MTV Ludwigsburg und im Landeskader, hatte gegenüber der Ludwigsburger Kreis-Zeitung (LKZ) bekannt, "dass sie eine harte Zeit hinter sich hatte". Aber mit dieser EM-Medaille habe sie sich eindrucksvoll zurückgemeldet.
"Für mich fühlt sich diese Silbermedaille wie Gold an"
Miggou, die im Polizeidienst von Baden-Württemberg tätig ist und auf den sie sich jetzt zu 100 Prozent konzentrieren wolle, hatte gegenüber der LKZ nach dem zweiten Platz von Gaziantep zu Protokoll gegeben, dass sie einfach überglücklich sei. "Für mich fühlt sich diese Silbermedaille wie Gold an."
Miggous Erfolge im Überblick:
2022: Vize-Europameisterin
2021: Europameisterin (Team-Wettbewerb) 2021: EM-Fünfte
2017: Weltmeisterschafts-Dritte U21 2016: Europameisterschafts-Dritte U21
2015: Weltmeisterschafts-Dritte U21
2015: Juniorinnen-Europameisterin
2013: Europameisterschafts-Dritte (Jugend)
2012: Jugend-Europameisterin
Darüber hinaus landete sie sieben Mal unter den "Top Ten" bei Premier-League- und Serie-A-Turnieren. Und nicht zuletzt stehen elf deutsche Meistertitel in ihrer Vita.
Autor: Dirk Kaiser
Fotos: Brigitte Kraußer (DKV) und Martin Kremser
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